Was
sind die Leute doch verbohrt!
Ten Years After ohne
Alvin Lee? Was soll das? Bullshit!
Das legt einem doch durchaus den Gedanken nahe, dass selbst
ein vermeintliches Hippie-Völkchen ganz schön engstirnig und
intolerant sein kann.
Seit geraumer Zeit sind nun die
lediglich (oder eher immerhin?) ¾ originalen Ten Years
After in Europa, und hier speziell in ihrem schon immer
erfolgreichsten Land, nämlich good old Germany, unterwegs, um
die Skeptiker ein für alle Mal eines Besseren zu belehren.
Und natürlich auch, um sich selbst noch mal zu beweisen,
nicht zum alten Eisen zu gehören, sondern noch kräftig
abrocken zu können.
Mit einer Musik, die den Ausdruck Rockmusik auch wirklich
verdient hat. Da in der heutigen Zeit durch den
eindimensionalen medialen Overkill eher Schmonzetten wie Limp
Bizkit und ähnliches bei den jungen Leuten als Rockmusik
gilt, gibt es natürlich auch einen entsprechenden Nachhol-
und Aufklärungsbedarf.
Was liegt da nicht näher, als wenn sich drei alte Haudegen
einen jungen Ausnahmegitarrero schnappen, diesem einen
Crash-Kurs in Sachen High Energy - Rock 'n' Roll verpassen und
anschließend entsprechend präpariert die Bühnenbretter
dieser Welt unsicher machen?
Und das natürlich vor möglichst vielen, vor allem jungen
Leuten, denn die anderen wissen ja längst, worum es geht.
Da bieten sich in erster Linie Festivals an, wo jung und alt
endlich mal die Gemeinschaft schmieden, die für unsere
allgemeine Gesellschaft doch so wichtig und wünschenswert wäre.
So geschehen am 16.07.2005 auf
dem 'Burg Herzberg Festival', wo sich noch Milch und Honig
gegenseitig gute Nacht sagen.
Als Anheizer fungierten quasi die schwedischen Grünschnäbel
von Siena
Root und schraubten das Energielevel schon mal in
bedrohliche Höhen.
Das ist natürlich eine willkommene Steilvorlage für
sturmerprobte Rock 'n' Roller, denn als Leo Lyons, Rick
Lee, Chick Churchill und Joe Gooch die Bühne
entern, lassen sie bereits in den ersten Sekunden keinerlei
Zweifel aufkommen, aber auch dem letzten Hippie vorführen zu
wollen, wo der wahre Hammer hängt!
Yeah, Leo stürmt mit begeistertem Gesichtsausdruck über die
dicken Saiten wie Stürmerstar Adriano aufs gegnerische
Tor, Rick trommelt stoisch den zusammenhaltenden Beat, um
seinen davon stürmenden Bassisten in bester
Abwehrspieler-Manier wieder ein bisschen einfangen zu können,
Chick steht noch ein wenig im Abseits, obwohl gar kein
Schiedsrichterassistent die Fahne gehoben hat und Joe lässt
seine Finger akrobatisch über die Saiten fliegen, wie Ronaldinho
seinen Gegenspielern Knoten in die Beine spielt.
Hier ist eindeutig eine Band ansatzlos von Null auf Hundert!
Natürlich werden überwiegend die alten TYA-Gassenhauer
gespielt, so darf etwa ein "Love Like A Man" nicht
fehlen, genauso wenig wie das Rick Lee Spotlight "Hobbit".
Und der Live-Renner schlechthin, dass fulminante Rock 'n' Roll
Medley "I'm Going Home" mit
Hochgeschwindigkeitsgitarre, ist seit Woodstock sowieso
absolute Pflicht.
Aber die Band schafft es trotzdem, alles andere als nach einer
Oldiekapelle zu klingen.
Weil nämlich Leo Lyons, gerade am Anfang, ein
atemberaubendes Tempo vorlegt, sich mehrmals quasi selbst überholt
und in Interaktion mit seinem neuen jungen Mitstreiter an der
Stratocaster ein wahres Feuerwerk des akkordbetonten und
-limitierten Rock 'n' Rolls entfacht.
Joe Gooch sorgt mit seinem Saitenspiel derweil dafür,
dass auch komplexere Töne den bluesgrundierten Rock 'n' Roll
veredeln, denn er ist in seinem Spiel meilenweit von einem Alvin
Lee entfernt, der ja gitarristisch eher klassisch und
bluesbetont an die Sache herangeht und diese durch
atemberaubende Geschwindigkeit aufzupeppen vermag.
Nein, der 'Neue' an den sechs Saiten lässt ein teilweise viel
komplexeres Soundgebilde erklingen, ebenfalls sehr schnell,
aber im direkten Vergleich variationsreicher, was bei seinen
Vorbildern, die Großteils eher aus dem Fusions- oder Jazzrock
kommen, auch nicht verwundert.
Und so schaukeln sich diese beiden so unterschiedlichen
Protagonisten gegenseitig hoch, sicherlich angespornt durch
das erfreulich zahlreiche Publikum, das längst, trotz der anfänglichen
Vorbehalte, richtig mitgeht.
Das bemerkt auch der etwas unterforderte Chick Churchill
und schwingt sich alsbald zum großen Mitklatschanimateur auf.
Ja, ja, die Zeiten von Woodstock sind längst vorbei und wenn
eine Band heutzutage durch die Kleinstclubs der Republik
tingeln muss, dann tut ein Auftritt vor so vielen
begeisterungsfähigen Menschen sicherlich sehr gut. Und die
Hippies sind umgehend wieder rehabilitiert!
Etwas später darf auch Chick zeigen, was er so alles aus den
Tasten hauen kann und liefert sich feurige Duelle mit dem
aufgedrehten Joe Gooch, der wirklich alles aus seiner
Strat herausholt, was im Rahmen dieses Musikkorsetts möglich
erscheint.
Es fehlt natürlich nicht der Hinweis darauf, dass letztes
Jahr ein brandneues Album erschienen ist ("Now"),
aus welchem auch das eine oder andere Stück erklingt und sich
dabei erstaunlich harmonisch in das musikalische Gesamtgefüge
integriert.
Des weiteren wird noch das aktuelle Live-Doppelalbum "Roadworks"
gepriesen, völlig zu Recht, enthält es doch zu größeren
Teilen das soeben gespielte Programm und entlarvt die
aktuellen Ten Years After zwar nicht unbedingt als
Retter des Rock 'n' Roll, sehr wohl aber als gutgeölte
Rhythmuseinheit einer Rockband mit hervorragenden Einzelkönnern,
die offenbar in dieser Konstellation dazu in der Lage sind,
alles aus sich und den Kollegen herauszuholen.
Dafür gibt es den verdienten
Beifall der vormals Skeptischen, von Alvin Lee redet plötzlich
keiner mehr und dass die Band nach dem Konzert durchaus die Nähe
zu ihren Fans sucht, indem sie den Kollegen beim
Merchandising-Stand, natürlich nicht ganz uneigennützig,
unter die Arme greift und gutgelaunt die Interaktion sucht,
findet sicherlich nicht nur beim Autoren dieser Zeilen
uneingeschränkte Zustimmung. Well done, auf die nächsten
Taten dieser Combo darf mensch gespannter sein, als viele das
vermutet hätten.
Check
Website
Bilder vom Konzert
Ten Years After - Burg Herzberg
Festival, 16.07.2005
|
Olaf "Olli" Oetken,
25.07.2005
|